Ein Nahtod-Erfahrungsbericht zum Hindelanger Klettersteig – einmal hoch, wieder runter – aber bitte gesund und lebendig.
Wir hatten das Wander-Männer-Wochenende schon länger geplant, welches ich von meinem Patenkind geschenkt bekommen hatte. Mein Schwager hatte die Zeit der Vorfreude bis zur Wanderung (gut ein Jahr) mit der Zusammenstellung seiner Ausrüstung sowie dem Studium der Wanderberichte überbrückt. Ich hingegen hatte mich erst am Abend vor der Abreise intensiver mit der Wanderung beschäftigt und somit vielleicht etwas unterschätzt. Donnerstagabend ging es mit der schwarzen Mamba Richtung Stuttgart, Zwischenstopp in schönen Gerlingen und am nächsten Morgen zu zweit weiter.
Die Fahrt von Köln nach Oberstdorf ist mit dem Auto eine echte Tortur – Stau, Baustellen etc. was dazu führen kann, dass man(n) mehr Zeit im Auto verbringt als auf dem Berg. Klare Empfehlung, wenn es geht mit der Bahn anreisen oder einfach mehr als nur 48 Stunden in Oberstdorf verweilen.
Wir haben im Hotel Drachenfels übernachtet, eine zweckmäßige und saubere Unterkunft für den urbanen Wanderbub von heute. Der Herbergsvater war sehr tiefenentspannt und freundlich. Es ist ein altes Wohnhaus, was zu einer Pension umgebaut wurde. Neben einem großen Essens- und Aufenthaltsbereich, gibt es eine offene Küche, wo man sich jederzeit Getränke aus einem Kühlschrank nehmen sowie Kaffee und Tee zubereiten kann. Aufgrund von Corona wurde das Frühstück individuell vorbereitet und ausgeteilt. Es empfiehlt sich seine Frühstückszeiten vorher abzustimmen, wenn man pünktlich irgendwo sein muss.
An dem Anreisetag machten wir nach dem Check-in noch eine kleine Wanderung zum Freibergsee, um uns und das Material ein wenig einzulaufen. Nach einer kurzen Pause am Naturbad ging es weiter rund um den See. Als weitere Pause bietet sich der Kiosk unterhalb der Skisprungschanze an.


Zum ersten Mal hinterfragten wir die Klettersteig-Wanderung, als uns unsere Bergschule Kleinwalsertal gegen Abend anrief und fragten, ob wir wirklich die Wanderung aufgrund des Wetters machen wollen – rückblickend war dies ein Vorzeichen, dessen was auf uns zukommen würde.
Nach der kurzen Wanderung kehrten wir noch in ein gut Bürgerliches Bistro in Oberstdorf ein.
Am Wandertag selbst ging der Wecker schon um 6:30 Uhr, da wir uns mit der Bergschule, um 8:15 Uhr an der Nebelhornbahn im Tal verabredet hatten. Da es bei der Wanderung keine Einkehrmöglichkeit gibt, machten wir noch einen Zwischenstopp bei einer Bäckerei. Hier gab es den zweiten Moment, wo wir uns kritisch hinterfragten, ob unser Vorhaben so gut sei. Die Verkäuferin frage: „Was haben Sie Schönes vor heute?“, wir „Hindelanger Klettersteig“, sie „…dann passen sie aber gut auf….“
An der Nebelhornbahn waren wir die ersten Gäste. Es war zwar trocken, aber die Temperaturanzeige vom Gipfel zeigte 0° Grad, an der Bergstation war es immerhin 8° Grad. Unser Bergfrüher, kam mit seinem E-Bike und Anhänger voller Ausrüstung vorgefahren. Für 95 Euro pro Person gab es Bergfrüher Martin, einen Helm und Klettersteigausrüstung.
Das Seilbahnticket kostete 42,50€ (stand August 2021). Sollte man die „Allgäu-Walser-Premium-Card“ vom Hotel oder Pension bekommt haben, gibt es sogar 1 Euro Rabatt.
Die Nebelhornbahn ist in drei Sektionen aufgeteilt. Von der Talstation auf 828m geht es zur Station Seealpe auf ca. 1280m. Man kann einfach sitzen bleiben und kommt dann zur Bergstation Höfatsblick auf ca. 1932 m. Dort sind wir ausgestiegen und mit einer älteren Gipfelbahn zur Gipfelstation (2224m) gefahren.
An der Gipfelstation zogen wir unsere Ausrüstung an. Nach einer kurzen Sicherheitseinweisung ging es zum Einstieg des Klettersteigs.
Um ehrlich zu sein, ich habe schon so einige Wandertouren gemacht, von mehrtägigen Tagestouren durch den Dschungel Kolumbiens zur „Ciudad Perdida“ über den E5 von Oberstdorf nach Meran. Aber dieser Klettersteig hat mir sowohl physisch als auch psychisch alles abverlangt. Ich schätze mich als überdurchschnittlich trainiert ein, aber die 6 Stunden am Seil bei Null Grad waren wirklich eine Belastung. Zwar hatten wir Glück im Unglück mit dem Wetter, dass es nicht geregnet hat, aber dort oben bei Wind und Nebel, um den Gefrierpunkt so lange zu klettern ist kein Vergnügen. Zwar konnten wir bei den Nebelschwaden nur teilweise das schöne Panorama genießen, aber so gab es immerhin keinen Menschenstaus á la Mount Everest bei den besonderen Passagen. Da ich zudem Höhenangst habe, war die Tour wie eine Therapiestunde außerhalb des gesetzlichen Leistungskataloges. Von Leiterpassagen bis zu Stellen, wo man nicht weiß, wo man hintreten muss ist alles dabei, Worte können die Tour nicht wirklich beschreiben, deswegen werde ich noch ein kleines Video erstellen. Es gab einen Moment, wo ich am Grad entlang gehangelt bin und ich mich fragte, warum mache ich das hier? Rennradfahren ist auch tolles Hobby. Auch die Grabplatten am Steig zeigen einem deutlich vor Augen, dass wir da Oben nur Gäste sind und jeder kleine Fehler ein tragisches Ende nehmen kann.




Würde ich es wieder machen? Ganz klares: Ja – Aber dann nur eine A oder B Route und wenn das Wetter wärmer ist. Der Muskelkater in den Beinen war nach drei Tage vorbei, aber diese unglaubliche Erfahrung bleibt ein Leben lang.
Als wir wieder sicher an der Talstation ankamen, teile sich die achtköpfige Gruppe, die über den Tag zusammengewachsen war, wieder so auf, wie sie am Morgen zusammengekommen war. Zur Feier des Tages kehrten mein Schwager und ich in der Gaststätte das Jagdhaus ein, wo wir ein tolles Abendessen genossen haben und für 30 Sekunden Gäste einer Hochzeit waren. Aber das ist eine andere Geschichte.